KI in der Buchbranche

KI in der Buchbranche
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Trübe Aussichten für Kunst und Kultur

KI: Künstliche Intelligenz. Kaum ein Thema bereitet Schriftstellerinnen und Schriftstellern derzeit mehr Sorgen, als der drohende Strukturwandel, den die neue Technologie in der Buchbranche eingeläutet hat und dem wir machtlos gegenüberstehen. Ein Strukturwandel, bei dem es viele Verlierer und nur wenige Gewinner geben wird. Doch warum findet dieser Wandel überhaupt statt? Welche Gründe gibt es KI in der Buchbranche einzusetzen? An der mangelnden Produktivität von Autorinnen und Autoren kann es jedenfalls nicht liegen. Denn schon jetzt wird der Markt mit Büchern überschwemmt. Verlage ertrinken förmlich in der Flut von Manuskripten, die ihnen täglich ungefragt und ungewollt zugesandt werden, und seitdem es Selfpublishing gibt, kann jeder, der will, kostengünstig seine Werke veröffentlichen. Daher die Frage: Wer profitiert vom KI-Einsatz und welche Vorteile bringt er mit sich?

Die Gewinner

Dass in erster Linie die Anbieter von KI-Software profitieren, ist natürlich selbstredend. Doch darüber hinaus werden sicherlich auch die Verlage zu den großen Gewinnern zählen. Denn schon jetzt können diese künstliche Intelligenz nutzen, um die Masse an zugesandten Manuskripten nach Bestsellern zu durchforsten oder nach Titeln zu suchen, die thematisch in ihr Programm passen. Und das viel schneller und kostengünstiger als Agenturen dies tun. Außerdem können Bücher mithilfe von KI-Tools kostengünstig lektoriert, korrigiert und übersetzt werden. Dies alles spart den Verlagen viel Geld und Zeit und bringt höhere Margen mit sich.

Was bietet die KI dagegen den Autor*innen für Vorteile? In erster Linie soll sie den Schriftstellerinnen und Schriftstellern Arbeit abnehmen und den kreativen Prozess unterstützen. So sind die Programme schon jetzt in der Lage ganze Kapitel selbst zu schreiben oder Vorschläge zu generieren, wie die Geschichte weitergehen könnte. Zukünftig wird es sogar so sein, dass die „Autorin“ oder der „Autor“ nur noch wenige Stichpunkte zum Plot eingeben muss und die KI darauf basierend den Text erstellt. Zusätzlich bieten die oben genannten Tools den Selfpublishern die gleichen Vorteile wie den Verlagen auch. Die Kosten des Selfpublishing werden dadurch erheblich sinken und die Finanzierbarkeit vereinfachen. Die Anzahl der Selfpublisher dürfte ohnehin noch weiter zunehmen, da angehende Autor*innen, die es bisher nicht geschafft haben ihr Buch fertigzustellen, es mithilfe von KI deutlich leichter haben dürften. Aber auch etablierte Schriftsteller*innen, insbesondere die sogenannten Vielschreiber, die 4 – 6 Bücher im Jahr auf den Markt bringen, könnten zu den Gewinnern zählen. Denn theoretisch wird es möglich sein, die KI mit den eigenen Büchern zu füttern, um daraus auf Knopfdruck ein neues, ähnlich gelagertes Buch erstellen zu lassen.

Mehr Selfpublishing-Autor*innen bedeuten zwangsläufig auch mehr Kunden und mehr Geld für Selfpublishing-Dienstleister. Nicht ohne Grund bietet BoD schon jetzt das Schreibprogramm WriteControl an, welches in der erweiterten Version KI-Tools beinhaltet. Damit werden die Selfpublishing-Dienstleister definitiv zu den großen Profiteuren gehören. Natürlich dürfen auch die Leserinnen und Leser nicht vergessen werden, die sich möglicherweise über sinkende Preise freuen können. Zumindest gibt es bei Verlagsbüchern noch einigen Spielraum nach unten. Selfpublisher dagegen bieten ihre E-Books schon jetzt oftmals für 0,99 Euro an, so dass Preissenkungen hier eher eine untergeordnete Rolle spielen dürften. Darüber hinaus werden die Leser*innen noch mehr Auswahl haben als sowieso schon. Denn durch den Einsatz von KI wird es nicht nur günstiger werden Bücher zu schreiben und zu veröffentlichen, sondern vor allem auch schneller gehen. Außerdem werden die Leser*innen dank KI-Übersetzung zukünftig Zugang zu Büchern aus anderen Sprachräumen haben, wodurch der kulturelle Austausch verbessert werden könnte.

Die Verlierer

Wie sieht es mit den Nachteilen von KI aus? Wer steht auf der Verliererseite? Schon in der Vergangenheit sind Berufe durch Strukturwandel und neue Technologien verloren gegangen. Dies lässt sich kaum verhindern und wird auch in der Buchbranche der Fall sein. Insbesondere werden Agenturen, Lektorate, Korrektorate und Übersetzer*innen um ihre Existenz bangen müssen. Denn umso geringer der kreative Anteil der Arbeit ist, desto leichter wird die KI es haben diese zu übernehmen.

Daneben zählen zu den großen Verlierern schon jetzt wir, die Autorinnen und Autoren. Denn damit die KI lernen kann, wird die Software ohne Berücksichtigung von Urheberrechten oder der Zahlung eines Entgelts mit Millionen von Werken gefüttert. Langfristig können aus dem Input sogar „neue“ Werke geschaffen werden, ohne dass es noch Schriftsteller*innen bedarf. Dabei handelt es sich bei diesen „neuen“ Werken um nichts anderes als reine Plagiate, da die KI letztendlich nur aus den bereits vorhandenen Büchern schöpfen kann. Natürlich lassen sich auch Autor*innen durch andere Werke inspirieren. Niemand ist frei davon, niemand kann das Rad neu erfinden. Aber im Gegensatz zur KI, werden unsere Werke nur zu einem kleinen Teil durch bereits vorhandene Bücher beeinflusst. Wir dagegen lassen auch unsere alltäglichen Erfahrungen, Erlebnisse und Gefühle sowie sämtliche kulturelle Werke miteinfließen, mit denen wir in Berührung gekommen sind. Als Folge wird der Buchmarkt mehr denn je mit „neuen“ Büchern überschwemmt und die Möglichkeit als Autor*in wahrgenommen zu werden, noch kleiner ausfallen. Und da die KI immer nur auf denselben Pool von Büchern zurückgreift, werden die Werke kaum noch zu unterscheiden sein.

Sogar die KI-Unternehmen könnten dadurch irgendwann auf Probleme stoßen, wenn nicht mehr genügend neue, KI-freie Bücher geschrieben werden, mit denen die Software gefüttert werden kann. Die Verlage werden außerdem den Druck auf die Verlagsautor*innen erhöhen ihre Bücher anzupassen, nachdem die KI den Text analysiert hat. Es ist dementsprechend fraglich, ob Verlagsautor*innen zukünftig überhaupt noch KI-frei schreiben dürfen. Langfristig könnten aber auch die Verlage in Bedrängnis geraten. Warum einen KI-generierten Bestseller kaufen, wenn die Leserin oder der Leser diesen auch selbst kreieren kann. Statt den aktuellen Beststeller, gibt es zu Weihnachten dann den neuesten Beststeller-Generator, der personalisierte Bücher erstellen kann, mit der Leserin oder dem Leser als Hauptfigur. Die größten Verlierer werden am Ende aber trotzdem die Leser*innen sein, die nur noch zwischen einheitlicher Massenware auswählen können. Ein Buch wird so beliebig sein wie das andere und die kulturelle Vielfalt unweigerlich verloren gehen.

Wie denke ich darüber?

Während es aus unternehmerischer Sicht durchaus plausible Gründe für den Einsatz von KI geben mag, fallen mir aus künstlerischer Sicht jedoch keine ein. Wozu als Autorin tätig sein wollen, wenn ich keine Lust zum Schreiben habe? Entweder ich schreibe, weil ich Spaß daran habe Geschichten zu Papier zu bringen oder ich lasse es sein. Nicht nur, dass meine Tätigkeit ab absurdum geführt werden würde, ich würde meine Fähigkeiten auch nach und nach verlieren. Denn alles was wir nicht selber machen müssen, verlernen wir mit der Zeit. Mit dem Schreiben ist es nicht anders. Immer weniger Menschen werden es selbst tun, immer weniger Menschen werden dazu in der Lage sein. Der Einsatz von KI im Bereich Kunst und Kultur ist für mich deshalb mit großen Verlusten verbunden: Mit dem Verlust von kultureller Vielfalt und mit dem Verlust von Fähigkeiten. Aus diesen Gründen lehne ich den Einsatz von KI im kulturellen Bereich ab.

Doch auch wenn ich ein Buch KI-frei schreiben möchte, wie kann ich sicherstellen, dass es wirklich KI frei bleibt? Woher weiß ich, dass mein Buch im Lektorat und Korrektorat von Menschen bearbeitet wurde und nicht von der Maschine? Letztendlich kann ich nur mithilfe von vertraglichen Vereinbarungen die Nichtnutzung von KI erwirken, und darauf hoffen, dass diese auch eingehalten werden. Doch hundertprozentige Sicherheit bekomme ich nicht. Fraglich ist auch, ob es zukünftig überhaupt noch Lektorate und Korrektorate gibt, die solche Dienstleistungen anbieten. Sind diese einmal verschwunden, habe ich nur noch die Wahl zwischen KI-lektoriert und überhaupt nicht lektoriert.

Gibt es Hoffnung? Kaum. Zwar ist die KI aktuell noch nicht im Stande ansprechende Texte zu schreiben, aber das ist sicherlich nur eine Frage der Zeit. Auch die rechtliche Unsicherheit, die mit dem Einsatz von KI und KI-generierten Büchern verbunden ist, wird nicht ewig herrschen. Immerhin versucht mittlerweile die VG Wort den KI-Unternehmen Einhalt zu gebieten, in dem sie den Konzernen die Möglichkeit einräumt, für die Nutzung der Werke zu zahlen und somit auch rechtliche Sicherheit zu erlangen. Doch auch diese finanzielle Entschädigung ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Der Strukturwandel, den der Einsatz von KI mit sich bringt, lässt sich nicht aufhalten. Doch während künstliche Intelligenz den Menschen in anderen Bereichen großen Nutzen bringen kann, wird sie in der Buchbranche großen Schaden anrichten. Dabei rede ich nicht von den Untergang eines Berufes oder darum, dass zukünftig noch weniger Menschen von ihren Büchern leben können, sondern vom unausweichlichen Untergang der kulturellen Vielfalt und der Kunst des Schreibens.